Alfelder Hauptfriedhof
Der mit rund 71 Hektar flächenmäßig größte Friedhof der Stadt Alfeld (Leine) befindet sich am Walter-Gropius-Ring. Die ursprüngliche Friedhofsfläche war zur Eröffnung im Jahr 1902 jedoch noch deutlich geringer und wurde erst mehrere Jahrzehnte später in Richtung der Senator-Behrens-Straße erweitert.
Friedhofskapelle
Die Kapelle auf dem Alfelder Hauptfriedhof wurde im Jahr 1938 erbaut und im Folgejahr der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.
Einen interessanten Artikel hält der Service "Vernetztes Erinnern" der Volkshochschule Hildesheim bereit. Hier berichtet Martin Butler von der Enstehungsgeschichte der Alfelder Kapelle.
Die Friedhofskapelle Alfeld - Ein Zeitzeugnis der NS-Diktatur
Seit 1985 steht der Alfelder Friedhof als Gruppe baulicher Anlagen (gemäß §3 Abs. 3 S. 1 NDSchG) unter Denkmalsschutz1. Begründet wird seine Schutzwürdigkeit mit der Bedeutung, die er für die Orts- und Kunstgeschichte hat, sowie mit seinem Erinnerungswert für verschiedene Zeit-Epochen.
In diesem Ensemble ist die Friedhofskapelle kein Einzeldenkmal. 1938 erbaut, gilt sie als Zeitzeugin der NS-Diktatur. Seit den 1960er Jahren steht sie in der Kritik.2 Anstoß genommen wird dabei vor allem an den in ihrer ursprünglichen Fassung erhalten gebliebenen Fenstern. Hier sind in die Darstellungen der vier Jahreszeiten Runen integriert, die in symbolischer Form nationalsozialistische Ideologie vermitteln sollten.
Im Folgenden wird deshalb erläutert, in welcher Weise die Architektur und die Innenraumgestaltung der Kapelle durch die NS-Ideologie geprägt wurden:
- Anlage und Ausbau des „neuen“ Friedhofs 1892
- Die Friedhofskapelle – Das Gebäude
- Die Friedhofskapelle – Der Innenraum
- Die Friedhofskapelle – Die Fenster
Anlage und Ausbau des „neuen“ Friedhofs 1892
Mit der Industrialisierung war die Einwohnerzahl Alfelds im 19. Jahrhundert erheblich gestiegen.3 Deshalb wurde 1892 an der Hildesheimer Straße ein neuer Friedhof in Betrieb
genommen, allerdings noch ohne eine Leichenhalle.
Da die Wohndichte aufgrund fehlender neuer Wohnbebauung stark zugenommen hatte, musste das traditionelle Aufbahren der Verstorbenen in privaten Wohnräumen aus hygienischen Gründen dringend beendet werden. Auch für die Trauerfeierlichkeiten fehlte in den Wohnungen meist der Platz. So bestand zunehmend Bedarf an einem Ort, an dem Hinterbliebene angemessen Abschied von ihren Toten nehmen konnten. Zwar hatte es bereits seit der Inbetriebnahme des Friedhofs Forderungen nach dem Bau einer Leichenhalle gegeben,4 doch wurde das Projekt von den zuständigen Gremien immer wieder verschoben bzw. das Problem zunächst durch Provisorien gelöst.5 Erst im Jahr 1938 konnte das Bauvorhaben umgesetzt werden. Das hatte zur Folge, dass die Gestaltung der Alfelder Friedhofskapelle durch die nationalsozialistische Ideologie beeinflusst wurde. Dies gilt für die Gestaltung des Gebäudes, vor allem aber für die Ausschmückung des Innenraums.
Das Gebäude
Die Alfelder Friedhofskapelle liegt am Ende des heutigen Hauptwegs6, der von der Kalandstraße her auf den Friedhof führt. Aus der Ferne nimmt man zunächst die streng symmetrisch gestaltete Haupt-Fassade wahr. Sie ist geprägt von einem steilen, nach oben strebenden Giebel, in dessen Mitte ein Rundfenster eingelassen ist. Den Eingang bilden drei romanische Torbögen, von denen der mittlere erhöht ist. Die Aufwärtsbewegung der Fassade wird unterstützt durch wuchtige, nach außen ausgestellte Eckpfeiler, die einen Eindruck von Trutzigkeit vermitteln.
Das heute auf der Giebelwand angebrachte Kreuz war im Entwurf von 1938 zwar vorgesehen7, es wurde aber während der NS-Diktatur nicht angebracht. Erst ein Beschluss aus dem Jahr 1946 sorgte dafür, dass die Kapelle ein Kreuz bekam.8
Die Westfassade mitsamt der offenen Vorhalle steht auf einem zweistufigen Sockel. Die Vorhalle dient als Übergangszone in das Gebäude-Innere. Da sie auch an ihren beiden Schmalseiten durch Torbögen geöffnet ist, handelt es sich um eine Loggia. Durch den linken Bogen geht der Blick auf den alten Hauptweg des Friedhofs von der Hildesheimer Straße her. Der rechte Bogen hat keinen Wege-Anschluss. Er bot ehemals einen Ausblick über ein schmales Randstück des Friedhofs und die den Friedhof begrenzende Warne in private Gärten.9
An die Vorhalle schließt sich der mittlere Teil der Kapelle, der Andachtsraum, an. Er hat auf jeder Seite drei hohe Rundbogenfenster. Der rückwärtige Teil der Kapelle umschließt den hinteren Teil des Andachtsraums. Ursprünglich befanden sich dort: die Sakristei, ein Leichenund ein Sezierraum sowie ein Geräteraum und ein Raum für den Leichenwagen.10 Einige Nebenräume werden heute noch in ihrer ursprünglichen Funktion genutzt. Über diesen Räumen ist das Dach abgeschleppt und läuft zur Rückseite in ein Krüppel-Walmdach aus, wie es für niederdeutsche Bauernhäuser typisch ist.
Die Alfelder Friedhofskapelle steht in der Tradition der deutschen Heimatschutz-Bewegung, die bereits Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden war. Im Bereich der Architektur verstand sie sich als Reformbewegung gegen die von ihren Anhängern als „fremd“ empfundenen Bauten des Historismus sowie des Jugendstils. Ihre Architekten bezogen sich auf lokale bzw. regionale Bautraditionen und nutzten vorwiegend regionale Baustoffe. Obwohl sich zeitgleich in der Architektur eine moderne, internationale Formensprache entwickelte, die mit der herkömmlichen Bautradition brach11, bevorzugten die Nationalsozialisten die Heimatschutzarchitektur – oft wie am Alfelder Beispiel in einer stark vereinfachten Ausprägung – denn er passte zu ihrer Ideologie , die das Traditionelle, vermeintlich Volkstümliche, verklärte und politisch instrumentalisierte.
Die Alfelder Friedhofskapelle wurde aus Thüster Kalkstein (Serpulith ) gebaut.12 Die verschiedenen Teile ihres Baukörpers beziehen sich auf ältere Architekturformen, die überall im Leinebergland zu finden sind, zum Beispiel romanische bzw. neoromanische Kirchen und niederdeutsche Bauernhäuser. Gerade der Rückgriff auf eine Bauernhaus-Form für die Rückseite des Gebäudes, war vermutlich nicht nur konservativ bodenständig gemeint, sondern verwies auch auf die Blut-und-Boden-Ideologie der Nationalsozialisten.
Der Innenraum
Durch eine zweiflügelige Tür aus Eichenholz gelangt man in den Andachtsraum der Kapelle. Das über der Tür angebrachte Sgrafitto nennt das Baujahr und zeigt ein Kreuz, das von einem Eichen- und einem Lorbeerzweig gerahmt ist. Wie ein Foto aus der Alfelder Zeitung von 193913 belegt, handelt es sich nicht um die ursprüngliche Ausführung. Das Kreuz war damals nicht vorhanden, ob die anderen Elemente dem heutigen Zustand entsprachen, lässt die starke Rasterung des Fotos nicht erkennen. Im Bericht der Alfelder Zeitung vom 29. März über die Einweihung der Kapelle heißt es zu der Gestaltung: „Über der schweren Eichentür grüßt eine künstlerische Sgrafitto-Arbeit, ein italienisches Verfahren aus der Renaissance, bei dem drei verschiedene Farbschichten übereinanderliegen, aus denen die Figuren herausgearbeitet sind . Der schlichte Schmuck verkörpert Anfang und Ende des Lebens.“14
Der Andachtsraum ist ein schlichter rechteckiger Raum mit einer flachen Holzdecke. Sein Fußboden besteht aus rot-braunen Ziegeln. Vor der Ostwand befindet sich ein Altar, der mit einem schwarzen Tuch verhüllt und mit einem weißen Altartuch bedeckt ist.15 Einen Eindruck vom ursprünglichen Zustand des Andachtsraums gibt der bereits erwähnte Bericht aus der Alfelder Zeitung: „Wir treten in die Halle ein, die einen feierlichen Eindruck macht. Hoch über dem Altar leuchten in großer, goldener Schrift die Runen des Ewigen und des Göttlichen und die Mahnung ‚Es lebe niemand, er kämpfe denn‘, die einem Wort des Führers entnommen ist. Die Wände des Raums sind mit Münchener Rauhputz verkleidet und an den Seiten von drei farbigen Bleiglasfenstern durchbrochen. Vier der Fenster stellen in Runen und Bildern die Jahreszeiten dar, die anderen beiden tragen ernste Sprüche. [ …] Vier Lichtquellen, Glasröhren auf schmiedeeisernen Haltern, werfen milden Schein. Der Fußboden besteht aus gebrannten Klinkern. Die Decke ist von Balken durchbrochenes Eichenholz. Der Altar ist ein von blaurotem Wesersandstein gebildeter Block, auf dem ein kunstvoller, schmiedeeiserner Leuchter die Kerzen trägt.“16
Die Beschreibung verdeutlicht den Einfluss der nationalsozialistischen Ideologie auf die Gestaltung des Andachtsraumes.
Die Fenster
Im Gegensatz zu dem Sgrafitto über der Eingangstür und der Altarwand sind die sechs farbigen Bleiglas-Fenster heute noch in ihrer ursprünglichen Form erhalten. In der Mitte der beiden Längswände befindet sich je ein Fenster mit einer Inschrift, das von zwei Fenstern mit Bildmotiven gerahmt wird, die zusammen einen Jahreszeiten-Zyklus bilden.
Die künstlerische Gestaltung der Fenster wird Heinz Meyer zugeschrieben. Heinz Meyer war der jüngste Sohn des Alfelder Malermeisters Wilhelm Meyer. Nach einer Lehre als Maler hatte er unter anderem an der Kunstgewerbeschule in Hannover studiert. Die Entwürfe für die Fenster der Alfelder Kapelle soll er gemeinsam mit einem seiner Professoren angefertigt
haben.18
In den Jahreszeiten-Fenstern wurden sowohl Motive aus der christlichen Tradition als auch aus der nordischen Mythologie verwendet. Ergänzt werden sie durch griechische Schriftzeichen und Runen. Nicht alle Motive bzw. Zeichen lassen sich eindeutig erklären. Aus christlichem Zusammenhang stammt das Herbst-Motiv mit dem Weinstock. Es bezieht sich auf ein Zitat aus dem Neuen Testament: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben“ (Johannes 15,5). Ebenfalls in die christliche Tradition gehört das Schriftzeichen X in diesem Fenster. Im griechischen Alphabet ist es der erste Buchstabe des Wortes „Christus“ und steht als Symbol für ihn.
Das Sommer- und das Winterfenster beziehen sich auf die nordische Mythologie. Im Sommer-Fenster ist eine Eiche abgebildet. Bei den Germanen galt sie als heiliger Baum und war dem Gott Donar bzw. Thor geweiht. Sie sollte die Eigenschaften Standhaftigkeit und Treue verkörpern. Ihre Überhöhung zum Nationalsymbol als „deutsche Eiche“ begann in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Seit jener Zeit symbolisierte sie vor allem das Streben nach deutscher Nationalstaatlichkeit und kultureller deutscher Identität. Im 20. Jahrhundert vereinnahmten die Nationalsozialisten diese Eichen-Symbolik und steigerten sie zu einem regelrechten „Eichenkult“, unter anderem wurden in diesem Sinne deutschlandweit „Hitler-Eichen gepflanzt (in Alfeld am 21. April 193319).
S-Rune
Im Bogenfeld über dem Sommer-Motiv ist eine S- Rune abgebildet. Diese Rune war ein neutraler Buchstabe des germanischen Runen-Alphabets. Sie stand für den Konsonanten „s“ mit der Bedeutung „Sonne“. Bereits Ende des 19. Jahrhunderts wurde diese Rune von der völkischen Bewegung mit Begriffen wie „Sieg“ und „Heil“ aufgeladen.20 Im 20. Jahrhundert übernahmen die Nationalsozialisten diese Bedeutung und integrierten die S-Rune in die Symbolik ihres Machtapparats: Die einfache S-Rune war das Zeichen des Deutsche Jungvolks in der Hitlerjugend, die doppelte S-Rune das Zeichen für die sogenannte Schutzstaffel (SS), die unter anderem für den Völkermord an den Juden verantwortlich war.
Die Verwendung der doppelten S-Rune ist heute verboten.21 Im Winterfenster, das im Gestaltungsaufbau dem Sommerfenster entspricht, ist ein unbelaubter Baum als Zeichen für die jahreszeitlich bedingte „tote“ Natur abgebildet. Die Baumart lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Möglicherweise handelt es sich um eine stilisierte Esche. Dieser Baum war in der nordischen Mythologie dem Gott Wotan bzw. Odin geweiht, dem obersten germanischen Gott, der auch als Kriegs- und Totengott verehrt wurde. Dementsprechend lässt sich das Winterbild als Symbol für den Tod verstehen. Dazu passen auch die beiden Besen-Runen22, die von den Nationalsozialisten zu „Todesrunen“ umgedeutet wurden.
Hagal-Rune
In Bogenfeld über dem „Winter“ ist eine „Hagal-Rune“ abgebildet. Diese Rune war im NS-Regime mit der Bedeutung des unerschütterlichen Glaubens an die NS-Bewegung aufgeladen.23
Die Verwendung der Runen durch die Nationalsozialisten war zu keiner Zeit ein historischer Rückgriff auf die Kultur der Germanen, es ging nicht um die Funktion der Runen als Schriftzeichen germanischer Alphabete.24 Die Nationalsozialisten benutzten sie vielmehr mit veränderter Bedeutung zur Verklärung und Instrumentalisierung der Germanen und ihrer Kultur, denn in ihrer Ideologie galten die Germanen als Bewahrer einer vermeintlich „arischen Rasse“, von der das „deutsche Volk“ angeblich abstammen sollte.
Die Umdeutung der Runen im völkischen Sinne hatte bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts eingesetzt. 1902/03 entwickelte Guido von List (1848-1919), ein österreichischer Schriftsteller, seine Idee von den Runen als „arischer Grundsprache“, die keinerlei wissenschaftlich-historische Grundlage hatte, sondern ganz und gar seiner eigenen Fantasie entsprang.25 Ungeachtet dessen wurde sie zur Grundlage einer Vorstellung der Überlegenheit einer „arischen Rasse“ über andere vermeintlich „minderwertige Rassen“ und fand bald Zustimmung in Teilen der bürgerlichen Gesellschaft. Die Nationalsozialisten griffen auf diese Interpretation der Runen und der damit verbunden völkischen Vorstellungen zurück und setzten sie für ihre Ziele ein.
Auch die Inschriften der Textfenster stehen im Einklang mit der der NS-Ideologie.
Das Fenster zwischen „Frühling“ und „Sommer“ enthält einen Text von Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827), einem schweizerischen Pädagogen und Sozialreformer aus der Epoche der Aufklärung:
„Glaube an dich selbst, Mensch,
glaube an den inneren Sinn deines Wesens,
so glaubst du an Gott und an die Unsterblichkeit“
Das Zitat stammt aus seinem Werk „Die Abendstunde eines Einsiedlers“ aus dem Jahr 1780. Pestalozzis Idealvorstellung vom Menschen als kritisches, vernunftgeleitetes Individuum26 entspricht nicht dem nationalsozialistischen Ideal-Bild des deutschen Menschen, der in der Volksgemeinschaft aufgehen soll. Es ist daher kaum anzunehmen, dass der Text in Pestalozzis Sinn ausgewählt wurde.
Das Fenster zwischen „Herbst“ und „Winter“ enthält einen Text aus der „Lieder-Edda“, einer Sammlung von Dichtungen mit sogenannten Götterliedern aus der nordischen Mythologie:
„Es stirbt der Reichtum,
es sterben die Freunde,
endlich stirbt man selbst,
doch eines weiß ich,
dass niemals stirbt der Nachruhm über den Toten.“27
Es handelt sich um Vers 76 aus der Hávamál. Diese Sprüche-Sammlung bezieht sich auf den nordischen Gott Odin, der den sterblichen Menschen Rat gibt, wie sie ein erfolgreiches und ehrenwertes Leben führen können.28 Auch dieser Text wurde aus seinem Zusammenhang gerissen und im Sinne der NS-Ideologie verwendet.
Um die Auswahl der Bildmotive, der Zeichen, Runen und Texte einzuordnen, ist es notwendig die Altar-Zone des Andachtsraums in den Blick zu nehmen. In christlichsakralen Bauten ist an diesem zentralen Ort – auf, über oder an der Wand hinter dem Altar – ein Kreuz als Symbol für Christus und eine christliche Gottesvorstellung zu finden. In der Alfelder Friedhofskapelle stand auf dem Altar lediglich ein Leuchter ohne christliche Symbolik und auf der Wand hinter dem Altar war über die gesamte Breite ein Zitat von Adolf Hitlerangebracht: „Es lebe niemand, er kämpfe denn“, zusätzlich
verziert mit zwei Runen, die das Göttliche und die Unsterblichkeit darstellen sollten.29 Damit wurde der Führer der NS-Bewegung ins Zentrum des Andachtsraums gerückt und zum Bezugspunkt aller Bildmotive, Zeichen, Runen und Texte, letztlich auch der Toten und der Trauernden bei den Trauerzeremonien.
Als Trost für die Hinterbliebenen war nicht mehr die christlich-religiöse Vorstellung der Überwindung des Todes durch Auferstehung und Verheißung eines ewigen Lebens durch Christus vorgesehen, Sinn stiften sollte hingegen eine nationalsozialistische Deutung von Leben und Tod. Die Botschaft über dem Altar bemaß den Wert eines Menschenlebens nach seinem Einsatz für die nationalsozialistische Sache.30 Die Toten schließlich sollten durch einen „Nachruhm“ Unsterblichkeit erlangen und Trauer bzw. Totengedenken sollte letztlich in Heldenverehrung gipfeln. Diese Vorstellung der NS-Ideologiezum Umgang mit dem Tod bzw. den Toten ist etwa abzulesen an der Umbenennung des Volkstrauertags, der seit 1925 dem Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs gewidmet war. Er wurde 1934 zum „Heldengedenktag“ erklärt und gesetzlich als Feiertag festgeschrieben.31
Am Beispiel der Alfelder Friedhofskapelle wird deutlich, auf welche Weise in der Zeit des Nationalsozialismus nicht nur Repräsentations- und Zweckbauten, sondern sogar ein der Trauer und Andacht gewidmeter Raum genutzt wurde, um für das Gedankengut des herrschenden Regimes Propaganda zu machen.
Die Alfelder Friedhofskapelle wurde am 28. März 1939 eingeweiht. 85 Jahre danach ist dieser Text ein vorläufiges und noch unvollständiges Ergebnis einer ersten Recherche über die Umstände ihres Baus, über ihre Ausgestaltung und ihre Veränderung in Nachkriegszeit.
Hilfreiche Quellen waren die Alfelder Zeitung, die Bauakte, die sich im Bauamt der Stadt Alfeld befindet, sowie Dokumente aus Privatbesitz. Einige Hinweise fanden sich im Aktenbestand „Friedhofsangelegenheiten“ des Stadtarchivs. Gemessen daran, dass in diesen überlieferten Akten Neubauten auf dem Friedhof sowie viele kleine bauliche Veränderungen detailliert dokumentiert sind, müssten über den Bau der Friedhofskapelle zahlreiche Schriftstücke vorhanden gewesen sein. Offensichtlich wurden sie nach dem Ende der NS-Diktatur von der damaligen kommunalen Verwaltung „entsorgt“, um sich auf diese Weise eines schmählichen Kapitels der deutschen Geschichte zu entledigen.
Wer noch Informationen (schriftliche Dokumente, Fotos, Erinnerungen) zur Geschichte der Alfelder Friedhofskapelle beisteuern kann, möge sich bitte beim Stadtarchiv melden.
Text: Stadtarchiv Alfeld